FAQs für Führungskräfte
Sie möchten im Beruf Karriere machen? Sie möchten aus dem Management einer anderen Branche zu uns wechseln? Das freut uns, denn Führungskräfte werden im Sozial- und Gesundheitswesen genauso dringend gesucht wie Fachkräfte.
Wäre ich eine gute Führungskraft?
Gute Kandidaten für Führungspositionen bringen sich engagiert in der täglichen Arbeit ein, übernehmen gerne Projektverantwortung und Sonderaufgaben. Wenn Sie sich in dieser Beschreibung wiedererkennen, ist das ein gutes Zeichen. Manche Arbeitgeber bieten eine Standortbestimmung in Form einer „Potentialanalyse“ an. Dabei wird auf Basis eines Fragebogens ein persönliches Profil erstellt. Im Auswertungsgespräch werden Ihre Stärken und Schwächen benannt und die nächsten Schritte geplant. Schließlich soll es nicht in die falsche Richtung gehen. Manche glauben, sie seien die geborene Führungskraft, weil sie ein Projekt zum Erfolg gebracht haben, dabei sind sie eher fachlich, inhaltlich oder wissenschaftlich talentiert und sollten andere Aufgaben übernehmen oder promovieren. Fragen Sie nach, ob Ihr Arbeitgeber eine Potentialanalyse anbietet.
Welche Kompetenzen brauche ich als Führungskraft?
Eine gute Führungskraft braucht Empathie, strategisches Denken, Begeisterungsfähigkeit, Authentizität, Flexibilität und ein „dickes Fell“, um nicht jedes Problem persönlich zu nehmen. Und sie braucht eine Vision: Wie wollen Sie den Bereich, für den Sie Verantwortung tragen, weiterentwickeln? Wo wollen Sie damit in fünf Jahren sein? Zum Kompetenzprofil gehören: Selbst- und Mitarbeiterführung, Führen in der fachlichen Arbeit, Werteorientierung und wirtschaftliches Führen. Ansonsten muss die Führungskraft zum Team passen. Dem einen Chef gelingt es, seine Leute von einer Idee zu begeistern, sodass sie gerne für ihn die Ärmel hochkrempeln. Der andere krempelt selber die Ärmel hoch nach dem Motto „Wir packen das jetzt gemeinsam an“ und motiviert so. Ein Team aus introvertierten Mitarbeitenden braucht jemanden an der Spitze, der aus sich herausgeht. Ein chaotisches Team braucht einen Ordnungsfanatiker. Insofern hängt es immer von der konkreten Position ab, wer der oder die Richtige für den Job ist.
Wie werde ich Führungskraft?
Man kann sich als Mitarbeiter in unserer Branche noch nicht immer wie in internationalen Konzernen mit Hilfe festgelegter Karrierewege zu bestimmten Positionen „hocharbeiten“. Darum ist Ihr Engagement gefragt: Bringen Sie im Mitarbeiter-Jahresgespräch Ihren Wunsch ein, sich weiterzuentwickeln. Übernehmen Sie Projektverantwortung und machen Sie sich mit Weiterbildungen fit, lassen sich bei der Auswahl aber von Ihrem Vorgesetzten beraten. Denn das nächstbeste BWL-Seminar von der Stange hilft wenig. Suchen Sie sich ein Unternehmen, das ein Trainee- oder Qualifizierungs-Programm anbietet und Sie strategisch auf Ihrem Karriereweg begleitet beziehungsweise fragen Sie bei Ihrem aktuellen Arbeitgeber danach. Oft gibt es bei größeren Trägern eher die Chance, auf verschiedenen Positionen einen Schritt nach dem anderen zu machen: von der Teamleitung über die Einrichtungsleitung eines kleineren Hauses hin zu einem größeren Haus und schließlich einem Verbund von Einrichtungen.
Soll ich meine Karriere genau planen oder Chancen beim Schopf ergreifen?
Planen und vom Ziel aus zu denken (Wo will ich in fünf Jahren sein?) ist grundsätzlich eine gute Idee. Aber wer konsequent alle drei Jahre die Stelle wechselt, weil er mal gelesen hat, dass Karriere so funktioniert, verpasst die besten Chancen. Es gibt in unserer Branche wenige Führungspositionen, wo ein häufiger Wechsel gut ist – das sind vor allem Projektmanagementstellen. Ansonsten brauchen wir Beständigkeit in unseren Unternehmen. Führungskandidaten, die zwar wissen, dass dies nicht ihre Endstation sein soll, aber auch nicht ab dem ersten Tag auf der Suche nach der nächsten Stelle sind, sind uns die liebsten. Wer sich wirklich auf seine Aufgabe einlässt, abwartet, welche Entwicklungsmöglichkeiten sich bieten, oder vielleicht ein Leuchtturm-Projekt zu einem Zukunftsthema initiiert, gestaltet mehr und bringt einen ganz anderen Schwung ins Unternehmen.
Welche Karrierewege gibt es im Sozial- und Gesundheitswesen?
Ein berufsbegleitendes Trainee- oder Qualifizierungsprogramm wird von immer mehr Trägern im Sozial- und Gesundheitswesen angeboten und ist eine sinnvolle Unterstützung auf dem Weg in die Führungsverantwortung. Doch der Karriereweg muss nicht unbedingt ins Management führen. Man kann auch Fachspezialist für ein bestimmtes Thema werden. In der Behindertenhilfe sind es beispielsweise Experten, die Arbeitsprozesse in den Werkstätten so „zerlegen“ können, dass Menschen mit hochgradigen Beeinträchtigungen sie sehr kleinteilig durchführen können. Aber auch in den unterstützenden Arbeitsbereichen wie Controlling, Recht, Immobilienwirtschaft, IT oder dem Qualitätsmanagement werden Fachspezialisten gebraucht. Manche Führungspositionen vereinen beide Aspekte – das Management und das Fachspezialistentum. Die Pflegedienstleitung zum Beispiel. Sie führt Personal , macht sich über die strategische Ausrichtung des Pflegekonzepts Gedanken und kontrolliert gleichzeitig bis ins Detail, ob der Medikamentenschrank ordentlich geführt wird.
Nehmen Sie mich als Führungskraft aus einer anderen Branche?
Grundsätzlich gerne, aber die Motivation und die konkrete Position müssen passen. Wer denkt, Management im Sozial- und Gesundheitswesen sei ein Ausruh-Job, liegt falsch. Wer aber keine Lust mehr auf Meetings in der ganzen Welt, permanenten Vertriebsdruck und eine an den Belastungen zerbrechende Familie hat, wer lieber in einem kleineren Einzugsbereich arbeiten und die Wirkung seiner Arbeit direkt erleben möchte, kann sehr wertvoll für unsere Branche sein, weil er frischen Wind mitbringt. Idealerweise können Sie neben Ihrer Management-Erfahrung einen biografischen Berührungspunkt mit dem sozialen Bereich vorweisen, zum Beispiel einen Freiwilligendienst.
Als Quereinsteiger sollten Sie sich eher in den Zentralen größerer Träger oder Verbände nach freien Stellen umsehen. Dort brauchen wir Ingenieure, BWLer oder Juristen. Nur in Ausnahmefällen setzen wir in unseren Einrichtungen vor Ort Externe ein, weil es meist zu aufwändig ist, ihnen zu erklären, wie das Sozial- und Gesundheitswesen funktioniert. Beispiele für solche Ausnahmen wären Werkstätten für Menschen mit Behinderungen, die heute oft mit Wirtschaftsunternehmen kooperieren. Die Leitungspositionen in diesen Einrichtungen sind häufig mit einem Ingenieur, der sich mit Fertigungsprozessen im Bereich des Maschinenbaus oder der Elektrotechnik auskennt, besser besetzt als mit einem Sozialpädagogen.
Was unterscheidet das Management unserer von anderen Branchen?
Man hat es nicht mit Produkten zu tun, sondern mit Menschen. Da kann es schon mal vorkommen, dass ein Beschäftigter oder Bewohner einer Einrichtung der Behindertenhilfe den Geschäftsführer herzlich umarmt! Auch unter den Mitarbeitern hat man es mit einem besonderen Menschenschlag zu tun. Ihnen geht es nicht um rationales, nüchternes Arbeiten, sondern um Arbeit, die Sinn macht.
In unserer Branche verdienen Führungskräfte trotz steigender Anforderungen in aller Regel weniger als in der freien Wirtschaft, denn der Refinanzierungsdruck ist größer. Dafür wird aber auch nicht von ihnen erwartet, dass sie funktionieren wie Maschinen, sondern sie werden als Menschen gesehen. Bei uns darf man offen sagen: „Ich möchte gerne etwas von meinen Kindern mitbekommen, bevor sie ausziehen.“ Insofern ist das Gehalt vielleicht niedriger, aber das Gesamtpaket stimmt.
Das Idealbild der Flexibilität in der freien Wirtschaft ist bei uns noch nicht angekommen und das ist auch gut so, denn im Sozial- und Gesundheitswesen ist eine Unternehmenskultur, die auf Nachhaltigkeit, Kontinuität und gewachsene Beziehungen ausgerichtet ist, sehr wichtig. Es gibt natürlich auch bei uns Mitarbeiter, die Lust haben, für einen Karriereschritt umzuziehen. Doch wenn jemand aus familiären Gründen vor Ort bleiben und trotzdem Karriere machen möchte, haben wir dafür Verständnis und versuchen, auch ihm oder ihr den Weg zu ebnen.
Was ist wichtig für die Karriere innerhalb unserer Branche?
Sammeln Sie Erfahrungen in verschiedenen Einrichtungen! Damit ist kein Job-Hopping gemeint, sondern längerfristige Tätigkeiten bei zwei, drei Arbeitgebern mit möglichst unterschiedlichem Profil. Denn jemand, der nie aus seiner Einrichtung herausgekommen ist, dort als Sozialarbeiter angefangen und es bis zum Abteilungsleiter gebracht hat und sich nun nach 30 Jahren als Geschäftsführer bewirbt, hat wenig Chancen. Man wird vermuten, dass er sich nicht auf neue Strukturen und Prozesse einstellen kann. Wer aber mehrere Unternehmen oder Einrichtungen in unterschiedlichen Arbeitsfeldern mit unterschiedlichem „Charakter“ durchlaufen hat, große und kleine, vielleicht mit einer Zwischenstation bei einem privaten Träger oder doch einem kleinen Ausflug in eine andere Branche, hat einen guten Karriereweg hingelegt.
Führungskandidaten aus unserer eigenen Branche unterschätzen manchmal, wie komplex die Arbeit im Management auch bei uns geworden ist. Man hat dort immer weniger mit unserem Kerngeschäft, der Arbeit mit Menschen, zu tun, sondern muss sich mit Dingen wie IT, Brandschutz, Qualitätsmanagement oder rechtlichen Fragen beschäftigen. Das „wirtschaftliche Führen“ ist die Kompetenz, bei der unser Führungs-Nachwuchs den größten Nachholbedarf hat. Es reicht nicht, ein guter Pädagoge oder eine gute Pflegekraft zu sein, unser Geschäft zu kennen und gut mit Menschen umgehen zu können. Auch ein Interesse an BWL, Recht, Personal- und Organisationsentwicklung, Marketing und Öffentlichkeitsarbeit ist notwendig.
Ich bin jung, engagiert und will hoch hinaus!
Es passiert wegen des großen Personalbedarfs in unserer Branche tatsächlich, dass eine 27-Jährige mitten im Studium ein Stellenangebot als Kitaleiterin bekommt oder ein 28-Jähriger Gesundheits- und Krankenpfleger als Einrichtungsleiter für ein neu zu eröffnendes Pflegeheim vorgesehen ist. Grundsätzlich ist es keine Frage des Alters, ob man strukturiert arbeiten und mit dem Taschenrechner einen Etat durchkalkulieren kann. Wer im Nebenjob während des Studiums Teamleitungserfahrung gesammelt oder das Organisieren gelernt hat, bringt schon wichtige Kompetenzen mit – das Tagesgeschäft lernt man dann im Job.
Andererseits braucht gute Führung Persönlichkeiten mit Lebens- und Berufserfahrung. Eigentlich ist man mit Ende 20, Anfang 30 noch zu jung fürs Management in der ersten Führungsebene. Denn dort stößt man unweigerlich an seine Grenzen. Dann braucht man die Fähigkeit, sich zu reflektieren, Erfahrung im Umgang mit Menschen und nicht zuletzt echte selbstgemachte Erfahrung in den Herausforderungen des Führungsalltags. Heutzutage achten wir auf eine gute Führungskultur, damit sich unsere Mitarbeiter wohlfühlen. Dem karrierehungrigen Nachwuchs versuchen darum einige Träger der Diakonie, mit einem auf mehrere Jahre angelegten Qualifizierungs-Programm eine konkrete Perspektive und gleichzeitig die notwendige Zeit zum Reifen zu bieten.
Haben Sie Tipps fürs Vorstellungsgespräch?
Vielleicht werden Sie gefragt, wann Sie einmal mit einem Projekt erfolgreich waren oder „voll gegen die Wand gefahren sind“. Oder, was in einem Buch stehen würde, das auf Ihr Leben zurückblickt, wenn Sie 80 sind. Dann ist es wichtig, nicht einfach nur die Stationen in Ihrem Lebenslauf aufzuzählen oder nostalgisch in Erinnerungen zu schwelgen, sondern zu reflektieren: Warum ist etwas gut oder schlecht gelaufen? Was haben Sie aus Ihren Fehlern gelernt? Fassen Sie die Stationen in Ihrem Lebenslauf zu Lebensphasen zusammen und bewerten Sie sie kritisch. Seien Sie authentisch und machen Sie deutlich, was Sie brauchen, um gut arbeiten und letztendlich gut Führungsverantwortung übernehmen zu können. Nur so finden Sie heraus, ob Sie und Ihr künftiger Arbeitgeber zueinander passen. Davon profitieren am Ende beide Seiten.
Bin ich als Führungskraft irgendwann „fertig“?
Auch Führungskräfte müssen sich ständig weiterentwickeln, sich mit den neuesten Entwicklungen auseinandersetzen. Lebenslanges Lernen ist das Stichwort. Ich muss zwar als Chef nicht wissen wie Snapchat bedient wird, aber ich muss wissen, was das ist, um die Social Media-Strategie für mein Unternehmen verabschieden zu können. Ein wichtiges Talent für eine Führungskraft ist, eine gewisse Sensibilität für neue Themen zu entwickeln und am Ball zu bleiben.
Unsere Experten
Die häufigsten Fragen zum Thema Führungskräfte im Sozial- und Gesundheitswesen haben beantwortet: Thomas Eisenreich, stellv. Geschäftsführer des Verbandes diakonischer Dienstgeber in Deutschland e.V. (VdDD), und Olaf Schurad, Leiter Personalmanagement & Recht bei der Gruppe Norddeutsche Gesellschaft für Diakonie.
Text: Diakonie/Maja Schäfer