Mit Hauptschulabschluss in die Sozial- und Pflegeberufe
Wir wollen dir hier einen Überblick geben, was du mit deinem Hauptschulabschluss (oder auch ohne) anstellen kannst, um den Einstieg in die Sozial- und Pflegeberufe zu schaffen. Leider sind die Zugangswege kompliziert und überall in Deutschland anders und man kann es kaum einfach darstellen. Bitte lass dich davon nicht abschrecken, sondern schau dir die Infos mit einem Lehrer oder deinem Berufseinstiegsbegleiter zusammen an. Nur Mut, Benjamin, Madeleine, Marc und Silvia haben es auch geschafft!
Erfahrungsberichte
- Anne (27) hat es nach dem Hauptschulabschluss bis zur Heimleiterin gebracht
- Madeleine (21) ist Servicehelferin im Sozial- und Gesundheitswesen
- Marc (24) kam auf dem Jakobsweg die Idee, Heilerziehungspfleger zu werden
- Silvia (21) hat den Einstieg über einen Freiwilligendienst geschafft
Auf diese Fragen haben wir Antworten für dich
Es gibt Freiwilligendienste, bei denen du gleichzeitig den Hauptschulabschluss nachholen oder eine erste Qualifikation im Sozial- und Pflegebereich machen kannst. Zum Beispiel das FSJ 4 YOU oder FSJ 4 CARE.
Die Ausbildung zum Alltagsbetreuer kannst du auch ohne Hauptschulabschluss machen, je nach Bundesland heißt er auch Betreuungsassistent. Rechtlich gibt es keine verpflichtenden Zugangsvoraussetzungen, die Ausbildungsstätten legen eigene fest. Oft wird Erfahrung im Sozial- und Pflegebereich gewünscht. Manchmal bekommst du den Hauptschulabschluss zur bestandenen Abschlussprüfung dazu. Gerade in Baden-Württemberg boomt der Beruf. Als Alltagsbetreuer wirst du in Pflegeheimen für Senioren oder Menschen mit Behinderung eingesetzt.
Im Bereich Pflegeassistenz/Pflegehilfe musst du ganz genau hinschauen: Es gibt Kurse für Pflegeassistenten/Pflegehelfer auch ohne Schulabschluss, nach denen du direkt in der Pflege arbeiten kannst, z.B. bei den Johannitern. Die sind aber nicht zu verwechseln mit den ein- bis zweijährigen staatlich anerkannten Ausbildungen zum Pflegeassistenten bzw. Pflegehelfer, mit denen du wesentlich besser qualifiziert bist. Die Voraussetzungen zu den staatlich anerkannten Ausbildungen sind unterschiedlich, manchmal geht es auch ohne Schulabschluss wie z.B. in der Ev. Berufsschule des Rauhen Hauses in Hamburg. Dort musst du nur mindestens 17 Jahre alt und gesundheitlich fit sein, um anfangen zu können.
Hauswirtschaft ist eine Ausbildung, für die zwar oft Azubis mit Hauptschulabschluss eingestellt werden, da es aber keine einheitliche Regelung über die Voraussetzungen gibt, ist sie theoretisch auch ohne Hauptschulabschluss möglich.
Mit Hauptschulabschluss kommen als Einstieg nicht alle, sondern nur bestimmte Sozial- und Pflegeausbildungen für dich infrage. Wenn du den Einstieg aber erst mal geschafft und eine solche Ausbildung abgeschlossen hast, gibt es immer Möglichkeiten, weiterzukommen und Karriere zu machen!
Dein Einstieg mit Hauptschulabschluss führt meist über die Helfer- oder Assistenzausbildungen, die manchmal sogar ohne Schulabschluss möglich sind. Lass dich nicht entmutigen von den verwirrenden Zugangsvoraussetzungen, die überall anders sind und für die wir dir hier ein paar Beispiele geben: Der Altenpflegehelfer zum Beispiel ist eine ein- bis zweijährige staatlich anerkannte Ausbildung, für die du 16 Jahre alt sein musst. Nur in Thüringen reicht der Hauptschulabschluss nicht, überall sonst schon.
In Niedersachsen und teilweise in Sachsen kannst du mit einem erweiterten (qualifizierten, 10-jährigen) Hauptschulabschluss auch direkt in die „richtige“ Altenpflege-Ausbildung einsteigen. In anderen Bundesländern wie Hamburg geht es dagegen nicht ohne Mittleren Schulabschluss.
Für den Heilerziehungspflegehelfer brauchst du neben dem Hauptschulabschluss meist mindestens ein einjähriges Praktikum (z.B. Freiwilliges Soziales Jahr). In vielen Bundesländern kommen die „HEP-Helfer“ nach der Ausbildung nicht so richtig weiter, weil ihnen der Mittlere Schulabschluss fehlt - doch in Baden-Württemberg tut sich was: Die Ausbildung wird in Heilerziehungsassistent umbenannt, der Realschulabschluss wird mit gemacht und damit sind auch die Karrierechancen da!
Pflegehelfer oder –assistent kannst du meist mit Hauptschulabschluss werden (z.B. in Niedersachsen am Diakonischen Bildungszentrum für Gesundheits- und Sozialberufe in Alfeld/Leine), nur in Thüringen brauchst du den Mittleren Schulabschluss, in Hamburg dagegen gar keinen. Meist dauert die Ausbildung 2 Jahre, doch z.B. in Bayern gibt es noch die 1-jährige Ausbildung zum Pflegefachhelfer, für die du nur ein Praktikum brauchst.
Sozialhelfer oder Sozialassistent ist eine Grundausbildung, mit der du später in Richtung Erzieher oder Heilerziehungspfleger weitermachen kannst. Je nach Bundesland reicht der (erweiterte) Hauptschulabschluss. Zum Beispiel bei der Diakonie Michaelshoven reicht der 10jährige Hauptschulabschluss, die Bleibergquelle in Velbert fordert den Hauptschulabschluss, die Lazarus-Schulen in Berlin fordern ebenfalls den Hauptschulabschluss.
Sozialpädagogischer Assistent bzw. Kinderpfleger kannst du in Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Thüringen mit Hauptschulabschluss werden, z.B. in Bayern aber nicht.
Als Auszubildende in der Hauswirtschaft und Hauswirtschaftshilfe werden überwiegend Auszubildende mit Hauptschulabschluss eingestellt. Für die Ausbildung zum Familienpfleger sind die Voraussetzungen sehr unterschiedlich, teils reicht der Hauptschulabschluss, teils aber auch nicht. Eine neue soziale Ausbildung für Hauptschulabsolventen in Baden-Württemberg ist der Servicehelfer.
Laut Berufenet der Bundesagentur für Arbeit werden teilweise auch für die Ergotherapie und Diätassistenz Auszubildende mit Hauptschulabschluss aufgenommen, wenn sie zusätzlich eine mindestens 2-jährige abgeschlossene Berufsausbildung (z.B. Helfer- oder Assistentenausbildung) haben. Die Johanniter nehmen dich als Azubi für den Notfallsanitäter, wenn du einen erweiterten Hauptschulabschluss und eine 2-jährige abgeschlossene Berufsausbildung hast.
Wenn du einen 9-jährigen Hauptschulabschluss hast, kannst du den erweiterten/qualifizierten Hauptschulabschluss anstreben, denn der wird in vielen Sozial- und Pflegeberufen, die mit Hauptschulabschluss möglich sind, gefordert. Den qualifizierenden Hauptschulabschluss kannst du in Bayern, Hessen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen machen, indem du am Ende der Hauptschulzeit an einem besonderen Test teilnimmst. In Berlin, Brandenburg, Bremen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen bekommst du den erweiterten Hauptschulabschluss nach unterschiedlichen Regeln, zum Beispiel nach der 10. Klasse.
In manchen Bundesländern (z.B. Sachsen-Anhalt, Thüringen und Hamburg) bekommst du deinen erweiterten Hauptschulabschluss oder sogar Realschulabschluss automatisch, wenn du eine mindestens 2-jährige anerkannte Ausbildung abgeschlossen hast und in den Hauptfächern einen vorgegebenen Notendurchschnitt erreicht hast. Mit diesen verbesserten Schulabschlüssen stehen dir dann auch beruflich ganz andere Möglichkeiten offen, denn für die meisten klassischen Sozial- und Pflegeausbildungen brauchst du einen Mittleren Schulabschluss.
Mit (oder teils sogar ohne) Hauptschulabschluss kannst du auch ein Berufsvorbereitungsjahr (BVJ) im Bereich Körperpflege oder Hauswirtschaft machen, um dich für eine Ausbildung im Sozial- und Pflegebereich zu qualifizieren. In einer Zusatzprüfung kannst du außerdem, falls nötig, den Hauptschulabschluss nachholen. Das BVJ gibt es in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Thüringen zum Beispiel bei der Diakonie Traunstein und der Diakonie Osnabrück. Deine Schule oder dein Berufseinstiegsbegleiter meldet dich dafür an. Du hast Schulunterricht in den Hauptfächern und berufsbezogenen Fächern und einen Praktikumstag in einer Sozial- oder Pflegeeinrichtung pro Woche.
Wer nicht mehr schulpflichtig ist, aber keinen Ausbildungsplatz gefunden hat, kann ein Berufsgrundbildungsjahr (BGJ) machen, zum Beispiel bei der Diakonie an der Saar. Damit kannst du den Hauptschul- oder Realschulabschluss nachholen. Ein erfolgreich abgeschlossenes BGJ kann je nach Bundesland auch auf die anschließende Sozial- oder Pflegeausbildung angerechnet werden, das heißt, die verkürzt sich dann.
Dann gibt es in Berlin und Brandenburg noch das Oberstufenzentrum Sozialwesen (OSZ). Du besuchst es zwei Jahre lang und bekommst eine bundesweit anerkannte Fachhochschulreife, mit der du sogar studieren kannst, zum Beispiel Sozial Arbeit.
Du hast die Möglichkeit, den Realschulabschluss während eines speziellen Freiwilligendienstes nachzuholen, zum Beispiel beim FSJplus oder beim FSJ fifty fifty, beim FSJ dual oder FSJ 24.
Wie deine Karriere in den Sozial- und Pflegeberufen aussehen kann, haben wir in einem Extratext für dich beschrieben. Hier nur mal ein Beispiel: Du hast einen 9-jährigen Hauptschulabschluss und machst danach ein Berufsgrundbildungsjahr oder einen speziellen Freiwilligendienst, bei dem du einen erweiterten Hauptschulabschluss bekommst. Damit kannst du dann in eine Helferausbildung einsteigen, zum Beispiel Altenpflegehelfer. Danach schließt du die neue Pflegeausbildung zur Pflegefachfrau/zum Pflegefachmann an. Mit der abgeschlossenen Ausbildung und ein paar Jahren Berufserfahrung wirst du teils an unseren Ev. Fachhochschulen zugelassen, z.B. für ein Studium der Sozialen Arbeit oder ein Pflegestudium. Alternativ kannst du die Fachhochschulreife an der Abendschule nachholen und dann studieren. Danach kannst du eine Einrichtung leiten, den Nachwuchs ausbilden oder in die Forschung gehen. Du brauchst Durchhaltevermögen, aber möglich ist alles!
Du solltest deine Karriere allerdings gleich am Ende der Schulzeit durchplanen und dich dabei beraten lassen, damit du keine böse Überraschung erlebst und feststellst, dass du ausgerechnet in deinem Bundesland zum Beispiel nicht automatisch am Ende der Erstausbildung den Realschulabschluss bekommst oder von einer Helfer- in eine klassische Ausbildung wechseln kannst, obwohl du das eingeplant hattest. Achte unbedingt darauf, dass du eine „staatlich anerkannte“ Erstausbildung wählst, damit sind deine Aufstiegschancen wesentlich besser!
Um deinen Hauptschulabschluss aufzuwerten und zu beweisen, dass du wirklich Lust auf die „Arbeit mit Menschen“ hast, solltest du mehrere Praktika oder Hospitationen (Kurzpraktika) in Sozial- und Pflegeeinrichtungen schon zu Schulzeiten machen. Und zwar nicht nur die Pflichtpraktika, sondern auch freiwillige!
Außerdem kannst du dich ehrenamtlich engagieren, das heißt du arbeitest im Sportverein, in einer Jugendgruppe, einem Altenheim oder einem Nachbarschaftstreff mit, ohne Geld dafür zu bekommen – beziehungsweise höchstens eine kleine „Aufwandsentschädigung“. Deine zukünftigen Arbeitgeber finden es toll, dass du schon Verantwortung übernimmst! Bei der Diakonie gibt es für Ehrenamtliche auch Kurse zu sozialen Themen, die du mitmachen kannst und für die du ein Zeugnis bekommst, das sieht später in der Bewerbung noch besser aus.
Genauso gut ist es, wenn du in deiner Bewerbung unter „Hobbys und Interessen“ oder „Nebenjobs“ etwas angeben kannst, das mit anderen Menschen zu tun hat wie Mannschaftssport, Pfadfinder oder Babysitting. Auch wenn du zu Hause in der Familie mithilfst, Geschwister oder ältere Verwandte zu pflegen und zu betreuen, macht das schlechte Schulnoten wett.
Nach der Schule machst du am besten mit einem Freiwilligendienst (Freiwilliges Soziales Jahr oder Bundesfreiwilligendienst) oder einem Au pair-Jahr weiter. Und wenn du dann bereit bist, dich für eine Sozial- oder Pflegeausbildung zu bewerben, findest du hier weitere Bewerbungstipps. Vielleicht gehst du mit deiner Bewerbungsmappe unterm Arm zu Berufemessen und sprichst dort die Arbeitgeber an, damit sie sehen, dass du ein engagierter Hauptschüler bist!
Welche Schule du besucht hast, ist erst mal nicht entscheidend: Deine Motivation muss stimmen! Du bist für die Sozial- und Pflegeberufe geeignet, wenn du „der soziale Typ“ bist, also gut mit anderen, auch fremden Menschen klarkommst, oder wenn du bereit bist, das zu lernen. Mach doch einfach mal unseren Nachwuchs-Test: „Bin ich der Typ für die Arbeit mit Menschen?“!
Wir wollen ehrlich zu dir sein: Es gibt Menschen, die haben Vorurteile gegen Hauptschüler oder wirklich schlechte Erfahrungen mit ihnen gemacht – zum Beispiel mit Schülerpraktikanten. Angeblich oder tatsächlich fehlen den Hauptschülern die richtige Motivation und das Einfühlungsvermögen, um mit Menschen arbeiten zu können, und die Fachkräfte leiden darunter. Aber solchen Vorurteilen und schlechten Erfahrungen kannst du entgegenwirken! Sei höflich und freundlich, sprich „ordentlich“ (Nicht fluchen! Keine Schulhofsprache!) und beweise, dass du zuverlässig bist und durchhalten kannst. So überzeugst du die Fachkräfte in deinem Team ganz schnell von dir! Viele Menschen mit Hauptschulabschluss gehen in ihrem Sozial- und Pflegeberuf so richtig auf, weil es hier um ganz andere Dinge geht als in der verhassten Schule und sie zeigen können, was in ihnen steckt.
Deine Vergütung ist von Bundesland zu Bundesland und von Arbeitgeber zu Arbeitgeber unterschiedlich. In diakonischen Einrichtungen hängt es davon ab, nach welchem Tarif die Einrichtung zahlt, es gibt einen bundesweiten und regionale Tarife. Entscheidend ist auch, wie viel Arbeitserfahrung und welche Qualifikation du hast.
Hier ein paar Beispiele: Als fertiger Altenpflegehelfer verdienst du 1.990 Euro bis 2.380 Euro brutto im Monat. Es gibt aber in diesem Bereich vor allem viele 400-Euro-Jobs. Als Hauswirtschafter verdienst du in diakonischen Einrichtungen im ersten Ausbildungsjahr ab 660 Euro. Wenn du in der Landwirtschaft lernst, ist es etwas mehr. Als Berufseinsteiger in der Hauswirtschaft bekommst du in diakonischen Einrichtungen 2.060 bis 2.490 Euro, als Angestellter in einer Kommune ist es etwas mehr: bis 2.600 Euro, als Angestellter in einem Privathaushalt ist es mit Bezahlung nach Tarif etwas weniger: 1.940 Euro. Familienpfleger bekommen in der schulischen Ausbildung kein Geld, aber als Berufseinsteiger in diakonischen Einrichtungen 2.250 bis 2.750 Euro, anderswo vereinzelt bis zu 3.870 Euro. Sozialhelfer / Sozialassistenten / Sozialpädagogische Assistenten / Kinderpfleger bekommen während der schulischen Ausbildung kein Geld, im Anerkennungspraktikum allerdings ein Praktikumsentgelt. Als Berufseinsteiger sind es rund 1.600 bis 2.870 Euro.
Unsere Experten
Für die Antworten danken wir unseren Experten Helgard Feldbinder vom Diakonischen Bildungszentrum für Gesundheits- und Sozialberufe in Aalfeld/Leine, Martin Herrlich von der Ev. Fachschule für Heilerziehungspflege in Schwäbisch Hall, Paul Ebsen, Claudia Köster und Knut Böhrnsen von der Bundesagentur für Arbeit Hamburg sowie Christian Weinert von der Bundesagentur für Arbeit Thüringen/Sachsen-Anhalt.