Jung in den Chefsessel
Seit dem Zivildienst eng mit dem Johanneswerk verbunden wird Lars Bienek mit gerade einmal 31 Jahren Geschäftsführer und Verwaltungsleiter der Rhein-Klinik. Ein Generationswechsel.


Trotz seines schnellen Aufstiegs ist Lars Bienek ganz auf dem Boden geblieben
Mit Anfang 30 schon ganz oben – das hatte Lars Bienek so nicht geplant. Ein verbissenes „Höher, Schneller, Weiter-Denken“ ist ihm fremd. Aber Langeweile ist einfach nicht sein Ding und so kletterte er Jahr für Jahr ein kleines Stück weiter hoch auf der Karriereleiter. Ein Gespräch über den eigenen Ansporn, die Behäbigkeit der Branche, Psychohygiene und Klettergerüste.
Herr Bienek, Chef mit 31 - wie geht das denn?
Lars Bienek: Ein Geheimrezept dafür habe ich nicht. Es war kein fixes Ziel von mir, schnell in eine Chefposition zu kommen. Allerdings war bei mir immer der Reiz da, weiterzukommen. Es haben sich dann passenderweise immer gute Weiterbildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten ergeben, die ich gerne wahrgenommen habe. Ich glaube ehrlich gesagt, dass eine absichtsärmere Haltung manchmal auch von Vorteil sein kann und dabei hilft, voranzukommen, ohne total verbissen die Ellenbogen auszufahren. Mit meinem Start als Geschäftsführer und Verwaltungsleiter der Rhein-Klinik in Bad Honnef ging auch ein Generationswechsel einher, denn mein Vorgänger hat bis zu seiner Rente die Klinik geführt. So war es nicht nur für mich ein schneller Aufstieg, sondern auch für die Klinik ein frischer Wind.
Zum beruflichen Erfolg gehört für mich auch immer begleitendes Reflektieren in Form von Supervision und Coaching, sowohl für mich selbst als auch in meiner jetzigen Leitungsposition für das gesamte Team. Wir sind eine Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie und täglich mit dem Leid und den Ängsten unserer Patienten konfrontiert, die durch Gewalterfahrung oder schwere Unfälle stark traumatisiert sind. Um als Team das Funktionsniveau zu erhalten, muss jeder Einzelne seine Seele in gutem Zustand halten. Psychohygiene ist deshalb ganz wichtig.
Hatten Sie auf Ihrem Karriereweg einen Mentor?
Bienek: Ja, während meiner kaufmännischen Ausbildung beim Johanneswerk bin ich über meine Ausbildungsleiterin in Kontakt mit dem damaligen Personalchef Thomas Sopp gekommen. Er war viele Jahre mein Mentor, Wegbegleiter und Chef und hat mich sowohl in meiner beruflichen als auch persönlichen Entwicklung begleitet und mich sehr daran unterstützt, passende Weiterbildungsmöglichkeiten wahrzunehmen. Und er war ein wichtiger Ansprechpartner, wenn ich an meine Grenzen gestoßen bin. Während meiner Tätigkeit als Referent der Personalabteilung habe ich gemeinsam mit einem kleinen Team die erste Intranetplattform für das Johanneswerk aufgebaut. Das war damals echt ein Riesending – draußen war die Welt schon online, drinnen eben noch nicht. Wir haben mit dem jonet, das es auch heute noch in anderer Form gibt, erstmals alle Personalverantwortlichen miteinander vernetzt. Es hatte eine Vorreiterrolle in Sachen Abbildung von Bewerberprozessen und Vernetzung. Aber der Weg dahin war steinig. Wir als junges Kreativteam haben damals nicht verstanden, warum die Bude so träge ist in Sachen Kommunikation und Wissensmanagement. Die Branche ist unglaublich behäbig.
"Behäbigkeit der Branche" - klingt zum Davonlaufen
Bienek: Anfangs habe ich tatsächlich oft damit zu kämpfen gehabt. Es war verlockend, in innovativere Unternehmen in der Industrie zu wechseln, wie viele es gemacht haben. Doch dann habe ich die Ressourcen erkannt, etwas zu verändern und zu bewirken. Ein großer Motor dabei war meine berufsbegleitende Ausbildung zum systemischen Organisationsberater und die anschließende Masterausbildung zum systemischen Coach, die ich ganz bewusst außerhalb der Diakonie gemacht habe, um Impulse von außen und ein breiteres Verständnis der Möglichkeiten zu bekommen. Eine Kollegin, die bei einer Bank arbeitet, hat mal zu mir gesagt: „Seid doch froh, dass ihr so nah am Menschen seid. Bei uns muss man von morgens bis abends ‚performen‘, sonst wird man vorgeführt. Wir sind vielleicht innovativer und nehmen Lernkurven deutlich schneller als die Diakonie, aber dafür habt ihr eine Ressource im Umgang und Bewältigen von Problemen und vollbringt eine Dienstleistung am Menschen.“ Dieser Blick von außen hat mich damals sehr darin bestärkt, mich weiter im Johanneswerk einzubringen und Methoden zu entwickeln, diese Behäbigkeit aufzubrechen.
Der größte Kniff ist, die eigene Haltung zu überdenken. Ich erlebe im Kollegenkreis diejenigen, die Veränderungen manchmal ausbremsen und diejenigen, die offen für Neues sind. Die erste Gruppe nehme ich – anders als in meiner Anfangszeit – nicht mehr als bloße Blockierer wahr, sondern ich sehe, dass ihr Verhalten auch eine gewisse Stabilität bringt. Im Gegenzug dazu, sind die anderen aber auch nicht die Hysterischen, als die sie manchmal empfunden werden, die nur nach vorne wollen und alles durcheinander bringen. Sie ermöglichen Neues und wir brauchen frische Leute, die das System Diakonie irritieren, damit es dynamischer wird. Beides hat seine Berechtigung und hier die Balance zu finden, um den Patienten und ihren veränderten Bedürfnissen gerecht zu werden, ist meine Aufgabe. "Menschen ins Gleichgewicht bringen" ist ja einer unserer Leitsprüche. Wir sind ein Ort für heilsame Begegnungen, Wir gehen weg von dem einfachen "Bei uns werden sie gesund", denn die Seele ist kein gebrochener Arm. Ich identifiziere mich stark mit der Arbeit unserer Klinik und mit den Mitarbeitenden und finde es sinnvoll, was wir hier tun.
Sie sind seit sechs Jahren Geschäftsführer - ist Ihnen noch nicht langweilig?
Bienek: Tatsächlich haben sich meine Definitionen von Kurz-, Mittel- und Langfristigkeit in den letzten Jahren geändert. Früher bedeutete kurzfristig für mich "übermorgen" und langfristig "in fünf Jahren". Aber hier in der Klinik gibt es eine irre Beständigkeit. Vor kurzer Zeit haben wir bei einem Kollegen die 40-jährige Betriebszugehörigkeit gefeiert. Da bekommt man doch einen anderen Blick. Außerdem fallen mir hier - anders als in meinen vorherigen Positionen - ständig Aufgaben vor die Füße, die sich eben nicht in vier, fünf Jahren lösen lassen, die ich aber trotzdem angehen möchte. Bisher hat mir immer schnell der inhaltliche Reiz, die Herausforderung gefehlt. Das ist in meiner jetzigen Position anders.
Sind Chefsessel und Spielplatz gut vereinbar?
Bienek: Ja, mittlerweile schon. Zwei Nachmittage in der Woche gehören ganz meiner dreijährigen Tochter, während meine Frau arbeitet. Dafür geht dann abends wieder der Rechner an und ich gehe sonntags ins Büro. In den ersten beiden Lebensjahren meiner Tochter war ich rückblickend viel zu zögerlich darin, Zeit für die Familie einzufordern. Damals herrschte bei uns aber gerade hohes Arbeitsaufkommen, da meine Stellvertreterin parallel in Mutterschutz und eine weitere Kollegin in Rente ging. Mein persönlicher Wunsch ist es, dass gerade auf der Geschäftsführerebene mehr Flexibilität und Familienfreundlichkeit Einzug hält. Knappe Ressourcen verhindern das derzeit. Das ist aber generell oft ein Problem in helfenden Berufen: Die Mitarbeiter opfern sich für andere auf, haben aber oft kaum Zeit für die eigene Familie.
Wie schalten Sie am besten ab?
Bienek: Je mehr Verantwortung ich im Job anvertraut bekommen habe, desto wichtiger ist für mich der Ausgleich durch Sport, Meditation und eben Familienzeit geworden. Wenn ich mich nicht gerade beim Spinning auspowere oder beim Tai Chi Ball zur Ruhe komme, bastle ich an unserer Terrasse und einem Klettergerüst für meine Tochter. Nach Feierabend noch ein paar Schrauben zu versenken hat etwas sehr Erfüllendes.
Interview: Diakonie/Verena Manhart