Seminar zur Selbsterfahrung
"Gefühle haben ihre Berechtigung"

Brigitte Lambert (58) arbeitet als Sozialpädagogin für die Kirchliche Allgemeine Sozialarbeit der Diakonie Coburg. In ihre Beratungsstelle der allgemeinen kirchlichen Sozialarbeit kommen ganz unterschiedliche Menschen in akuten Krisen. Die Arbeit an ihrer eigenen psychischen und emotionalen Stärke gehört zu Lamberts beruflichem Handwerkszeug, um Menschen in schwierigen Situationen helfen und sich gleichzeitig abgrenzen zu können. Darum besuchte sie kürzlich das Selbsterfahrungs-Seminar "Gefühle kommen und bleiben".
Frau Lambert, haben Sie kein mulmiges Gefühl vor solchen Seminaren?
Früher schon. Denn da geht es oft ums Eingemachte. Man behandelt sehr persönliche Themen – zum Beispiel Gefühle – im Kreis fremder Leute. Ich kann mich noch gut an das Grummeln im Bauch erinnern. Die Frage, was wird mich erwarten, was wird da für eine Gruppe zusammengemischt? Das verlangt ja schon immer etwas Mut zu sagen, ich lass mich darauf ein. Heute gehe ich da einfach hin. Ich habe aber auch wirklich schon sehr viele Seminare besucht. Für die Veranstaltung „Gefühle kommen und bleiben“ hatte ich von einer Kollegin die Empfehlung, dass der Dozent, ein Facharzt für Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, besonders gut sein soll. Deswegen hatte ich in diesem Fall überhaupt keine Bedenken. Im Seminar ging es darum, dass Gefühle einfach da sind, auch unangenehme Gefühle. Man versucht ja immer sie wegzuschieben, doch je mehr man die Gefühle wegschiebt, umso vehementer kommen sie zurück.
Was hat Sie an der Fortbildung am meisten überrascht?
Wie stark gute Bilder wirken können. Ein wirklich beeindruckendes Bild, das ich mitgenommen habe, ist das von den Gefühlen als Garten. Ist der Garten aufgeräumt, hat jedes Gefühl seinen Raum, wo es auch sein darf. Dann stellt es sich uns auch nicht ständig in den Weg. Zum Beispiel die Angst. Wenn ich die nicht unterdrücke, sondern weiß, die hat ihren Platz, dann habe ich es in der Hand, mich mit ihr zu beschäftigen, wenn ich es möchte. Ich gewinne ein Stück Souveränität, wenn ich mich mit meinen Gefühlen vertrage und sie nicht verbannen will. Das erfährt man in dem Seminar ganz praktisch. Man stellt sich nicht gleich den größten Ängsten, sondern beginnt ganz klein. Und der Seminarleiter, der sehr erfahren ist, führt einen von Schritt zu Schritt. Ich weiß inzwischen, ich brauche nach solch intensiven Erfahrungen Rückzugsmöglichkeiten, deswegen wünsche ich mir auf Seminaren ein Einzelzimmer.
Wie setzen Sie das Gelernte in Ihrer Beratertätigkeit ein?
Natürlich kann ein zweitägiges Seminar nur ein erster Anstoß sein. Aber es fällt mir jetzt leichter, die Gefühlswelt meiner Klienten bewusst zu respektieren. Gefühle haben ihre Berechtigung, seien sie auch noch so fremd. Ich habe jetzt weniger Angst, Gefühle im Rahmen der Beratungstätigkeit anzusprechen.
Text: Diakonie/Kirsten Wenzel